Arbeitsbesuch beim Landwirt: Party für die Regenwürmer
Oberbürgermeister Alexander Badrow hat die Pächter der städtischen Flächen im Blick. Nicht nur wegen der Pachtzahlungen, sondern er interessiert sich dafür, wie die Pächter mit dem städtischen Grund und Boden umgehen.
Und sieht bei seinen Arbeitsbesuchen vor Ort, wie pfleglich sie ihn behandeln und welche Innovationen rund um Stralsund zu entdecken sind.
Eine könnte man nennen „Back to the Roots“, zu finden in Lüssow bei Mathias Zeitke (36), waschechter Stralsunder und Rückkehrer.
Nicht neu – nur anders
Er ist Pacht-Herr über 500 Hektar Land, welches von ihm seit zwei Jahren bewirtschaftet wird. Davor schnupperte er 15 Jahre lang kanadische Luft, um dort u.a. in der Landwirtschaft seine Dollar zu verdienen.
Mit dem Wissen und Erfahrungsschatz von der anderen Seite des „großen Teiches“ stand für Zeitke von Anfang an fest: „Du machst nichts Neues, nur anders.“ Praktisch heißt das, Pflug und Grubber setzen Rost an, weil sie nicht mehr gebraucht werden. Aber wie wird der Ackerboden dann bearbeitet?
Ein Hoch auf die Regenwürmer
Der Lüssower erklärt: „Mein Ziel ist es, dass die Bodenerosion gestoppt wird.“ Er verzichtet auf das Umpflügen des Ackers und bringt die Saat direkt in den Boden ein. So wird der Boden in Ruhe gelassen, mit Zwischenfrüchten entsteht ein dichter Wurzel-Teppich. Der wiederum ist gut für den Boden – wenn es länger nicht regnet, wird die Feuchtigkeit trotzdem im Erdreich gehalten.
Eine tierische Bodenbearbeitungsgruppe freut das übrigens sehr: die Regenwürmer. Mehr Wurzeln heißt mehr Nahrung, mehr Regenwürmer heißt: Der Boden wird gelockert und gelüftet. Darüber hinaus verdauen die Regenwürmer die organischen Stoffe, so dass ein natürlicher Stickstoffeintrag in den Boden erfolgt. Was also auf dem Acker aussieht wie ein wildes Durcheinander an verschiedenen Pflanzen, ist in Wahrheit gut durchdachtes Kalkül. Zeitke vergleicht: „Im Wald ist das nix anderes.“ Also: Back to the Roots.
Landwirtschaft mit Nebeneffekten
Zeitke erklärt in einer Weise, die zeigt, wie sehr er seinen Beruf mit Leib und Seele liebt. Bei der Fahrt übers Gelände fällt es ihm deshalb auch nicht schwer, die endlos große vermeintliche Blumenwiese zu erklären, die ein Traum für jeden Fotografen sein dürfte.
„Das ist schlussendlich nichts als eine Zwischenfrucht, damit der Boden gut verwurzelt und die Regenwürmer Party machen können“, sagt er mit einem Lachen. Gewollte Nebeneffekte sind dabei, dass die Bienen insbesondere aus der Phacelia Vorräte für den Winter sammeln können. Auffällig viele Greifvögel begleiten die Fahrt durchs Blumenfeld. „Nein, die sind nicht extra bestellt“, schmunzelt Zeitke, „die haben nichts als die Mäuse im Blick, von denen es hier reichlich gibt.“
Beobachtet wird das Ganze von vielen Schafen, die gegenüber dem Blumenfeld auf einer Wiese das Gras kürzen, tierischen Dünger dalassen und so ebenfalls für eine gesunde Struktur des Bodens sorgen.
Seine Art der Bodenbewirtschaftung erzeugt weitere Effekt: „Wir haben hier wieder mehr Vogelarten.“ Dazu gehören nach seiner Beobachtung Fasane und Wachteln. Mit einer überraschenden Folge: Der Fuchs ist kaum noch im Dorf unterwegs, um sich Hühner zu holen.
Wissen weitergeben
Inzwischen gibt der Lüssower Pächter sein Wissen gerne weiter und erklärt dabei nicht nur dem Oberbürgermeister seinen vielversprechenden Ansatz von der „konservierenden Landwirtschaft“, also minimalem Bodeneingriff, permanenter Bodenbedeckung und Fruchtfolgenwechsel- und Fruchtartenvielfalt.
So bringt er Stralsunder Kita- und Schulkindern mit ganz einfachen und praktischen Mitteln nahe, wie Landwirtschaft funktioniert.
Und er geht noch einen Schritt weiter: Er möchte mit der Universität Greifswald gemeinsam ein Projekt starten, um diese Art der Landwirtschaft zu verstetigen.
Stralsunder mit Landwirtschaft verbunden
„Das hier ist ein schönes Beispiel dafür“, resümiert Oberbürgermeister Badrow nach seinem Arbeitsbesuch, „dass sich die Stralsunder mit der Landwirtschaft verbunden fühlen.“ Und ergänzt: „Deshalb sind wir an langfristigen Kooperationen interessiert. So unterstütze wir die Bemühungen und Anstrengungen unserer Pächter, innovative Landwirtschaft zu forcieren und das Wissen weiterzugeben.“