Syrer engagieren sich in Stralsund
"Wir haben von Euch Hilfe bekommen, als wir sie dringend brauchten. Jetzt wollen wir in unserer neuen Heimat Deutschland helfen, wo wir können und damit Danke sagen."
So lautet das Credo einer Vielzahl syrischer Mitbürgerinnen und Mitbürger in Stralsund. Inzwischen sind es mehr als 65 Ehrenamtliche, die sich engagieren - sowohl in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft im Stadtteil Grünhufe als auch im gesamten Stadtgebiet. Dazu gehört u. a. der Stralsunder Zoo. Zehn Syrer helfen dort aktuell für vier Wochen tatkräftig bei der Umsetzung verschiedener Projekte.
Die Organisation hat dabei das Nachbarschaftszentrum im Stadtteil Grünhufe übernommen, es koordiniert die Einsatzorte und bespricht die nächsten Projekte.
Thomas Nitz ist der Leiter des Nachbarschaftszentrums des Kreisdiakonischen Werkes, für ihn steht fest: „Egal was in diesem Rahmen entstehen mag, das Wichtigste ist schon passiert, nämlich ein Handschlag in die Zukunft, in die Zeit DANACH. Die Symbolkraft dieser Geste ist Grundstein für ein neues Miteinander, auch ein vielleicht zum Teil verbleibendes respektvolles Nebeneinander. Das Hilfsangebot der syrischen Flüchtlinge gibt der Zeit und den Menschen etwas von dem was wichtiger ist als Impfstoff, nämlich Zuversicht und Vertrauen. Es werden schrittweise kleinere Gemeinschaftswerke organisiert.“
Benjamin Kohlstedt, Streetworker in Grünhufe, weiß zu berichten, dass diese Initiative der Syrer inzwischen über die Landesgrenze hinaus bekannt ist und erste Gruppen anderer Städte sich erkundigen, was das ‚Erfolgsrezept‘ in Stralsund sei.
„Thomas Nitz und ich haben mit Reem Ammori und Taher Sayadi kurzerhand eine kleine gemischte Steuerungsgruppe gegründet; Rollen geklärt, um in verschiedene Richtungen sensibel agieren zu können, damit das Anliegen der Gruppe klar rüberkommt: Sie wollen mit ihren Händen danken! Mit dem Nachbarschaftszentrum in der Auferstehungskirche haben sie sich einen Partner zur Verstärkung gesucht, der seit knapp 15 Jahren gut vernetzt ist, zugleich das Wohl der Deutschen und der Migranten spürbar im Sinn hat und dem sie deshalb vertrauen. Dieses Vertrauen und diese Chance zur Integration nehmen wir sehr ernst“, sagt Kohlstedt.
Andere Beispiele für das ehrenamtliche Engagement der syrischen Mitbürgerinnen und Mitbürger sind das Packen und Auslieferung der Hilfspakete für die Initiative „Chance für Kinder e.V.“ „Weiterhin planen wir gemeinsam mit Nachbarn die Verschönerung der Skateranlage im Stadtteil, Unterstützung beim Arbeitseinsatz auf der Grünen Farm im Nachbarstadtteil Knieper West sowie Wegeverschönerungen“, schaut Kohlstedt schon mal voraus.
Die Beauftragte für Migration und Integration der Hansestadt Stralsund, Anja Schmuck, sieht in dieser Entwicklung eine neue Qualität des Miteinanders von Einheimischen und syrischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern: „Ich freue mich sehr, dass sich in Stralsund so viele Migrantinnen und Migranten gemeldet haben, die sich ehrenamtlich engagieren und damit Verantwortung für ihre neue Heimat übernehmen möchten. Bürgerschaftliches Engagement ist bunt und vielfältig und hat in Deutschland eine lange Tradition. Es trägt maßgeblich zum Aufbau von zwischenmenschlichen Beziehungen und der Förderung von sprachlichen Kompetenzen bei.
Ich bin beeindruckt, was Herr Kohlstedt in seiner Tätigkeit als Streetworker in Grünhufe bereits alles auf die Beine gestellt hat und wie engagiert, kreativ und flexibel er seine Arbeitskraft in diesen außergewöhnlichen Zeiten einsetzt.
Im Stralsunder Zoo sind gegenwärtig zehn Syrer dabei, zum Beispiel die Mahnkesche Mühle zu verschönern. Sie soll in der Hansestadt in absehbarer Zeit ein weiterer Ort zum Heiraten werden.
Beim Ackerbürgerhaus, übrigens wie die Mahnkesche Mühle an einem anderen Ort in der Stadt komplett abgebaut und im Zoo wieder aufgebaut, haben die ehrenamtlichen Syrer die Fenster gestrichen, aktuell entrosten und konservieren sie Teile der Galerie an der Mühle und einen historischen Traktor.
Für Zoodirektor Dr. Christoph Langner ist das Engagement der im Rahmen eines vierwöchigen Praktikums ehrenamtlich Tätigen von großem Wert, denn: „das ehrenamtliche Engagement ist für den Zoo eine sehr wichtige Hilfe. Viele Projekte in der über 60- jährigen Geschichte des Zoos sind durch ehrenamtliche Unterstützung entstanden. Für die syrischen Helfer bietet das Praktikum ganz nebenbei auch die Gelegenheit, die vielfältigen Arbeitsbereiche und die historischen Gebäude im Zoo näher kennen zu lernen.“
Für die zuständige Leiterin des Amtes für Kultur, Welterbe und Medien, Steffi Behrendt, ist der Fakt, dass sich syrische Mitbewohnerinnen und Mitbewohner in unserer Stadt in immer größer werdendem Maßstab ehrenamtlich engagieren, Ausdruck für ein neues Selbstverständnis im Umgang miteinander. „Dass wir im Zoo so tatkräftig unterstützt werden, freut mich sehr. Als das Angebot der ehrenamtlichen Hilfe kam, haben wir sofort und gern zugesagt. Die Zusammenarbeit ist eine Bereicherung für uns alle."